innsbruck 6020 der weg

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2006.10.15

innsbruck 6020

tamtam

radiopiece, kunstradio, vienna, AT

in summer 2005 we spend a week doing outdoor recordings in innsbruck. our goal is to create a composition of and with city sounds. the geographical situation of the city nourishes the idea behind the composition … nestled in the inntal valley, closed off to the north by the nordkette mountain chain, in the south by highlands and patscherkofel peak.

we begin our route high up in the north on the seegrube … approach the city via the hungerburg district toward büchsenhausen
… cross the innbrücke bridge and reach the old town … wander there through the courtyards of the new city (city center, pradl, saggen) toward the brenner highway, crossing it on our way upward toward lake lanser – in the southern part of the valley.

we stop from time to time to record the sounds around us. our starting material becomes a topology of loudnesses, frequency images and rhythmic structures of the city.

we compile these original sounds we have recorded into 4 related sections, which serve as the first layer of the composition; for the second layer of the piece, we edit the original sounds we have used using filters; the third and fourth layers are musical structures and interventions using bass and sampler.

 

Der Stand der Dinge
oder Wege der Gefährdung im Fluss
Das Zusammenspiel von Ort und Raum in der Radioarbeit innsbruck 6020 der weg von tamtam aka Sam Auinger (Sampler) und Hannes Strobl (Bass)

Text: Gerald Pirner

„Ästhetik ist die Spur des Anderen in der Wahrnehmung der Welt. Sie folgt der Gegengeschichte des Buchstabens.“ Dietmar Kamper

Hören ist nie Beleg für Verborgenes. Erscheinen bezeugt es oder Verschwinden. Gehörtes aber ist da, und selbst wo es nicht erkannt, ist es in Gestalt. Das Auge hingegen bringt im Schauen selbst Nicht-Zu-Sehendes hervor, weist dem Blick Verborgenes aus. Gartenarchitekten wie Lenné spielten in ihren Landschaften mit diesem optischen Phänomen, errichteten etwa Hügel, um die Spazierenden in romantische Erwartung zu versetzen, entzauberten dabei allerdings auch das Sehen, im Eindruck im Vollzug entsprechender Bewegung werde alles irgendwann ins Sichtbare gezerrt. Indem so aber auch der alte Mythos vom Authentischen am Leben gehalten, obsiegte die Verklärung dann doch, wenn auch in vermeintlicher Rationalität, die immer noch glaubt Schein und Sein präzise scheiden zu können.
Als einzigen Grund öffnet das Gehörte dem Hören sein Material, ohne von dessen oder seinem Erstellen zu sprechen. Von daher könnte die Erfindung des Scheines im Hören durch die Entwicklung digitaler Aufnahmetechniken tatsächlich als künstlich bezeichnet werden, ist doch das Hören, und nicht allein vom Blickwinkel des Sehens aus, meist nichts denn Schein, weiß es doch nur selten von der Herkunft des Gehörten zu berichten, von der Art wie Geräusche erstellt oder was an Gestalt darin zu erkennen. Erst gesehen wird das Gehörte zu Begriff. Die Grenze zwischen Schein und Sein war im Hören schon immer künstlich, muss bildlos sein in gewisser Weise, ihm erst zugesprochen werden. Insofern ist der Blinde wissentlich zu Glaube verdammt, zumal der materielle Grund des Gehörten zwar beschreibbar, selten aber in einen Begriff festzusetzen. Wenn aber alles Gehörte anwesend und das Verschwundene im Körper eingeschrieben, hat dieser in einem jeden Moment des Gehörten sich mit allem Möglichen aufzufüllen. Die Gefährdung des bildlos Hörenden ist aber immer erst im Nachhinein gebannt. Erst wenn der Schritt getan, weiß er, dass er Grund hat.
Entferntes Geblök, Gebimmel vereinzelt hinter Insekten und da hinein geräuschdurchlässig eine elektronische Klangfläche gespannt, klingt ab und ihr oberer Ton von einem Pfeifen aufgenommen, das einen anderen Hörraum öffnet… Geräusch eines Traktorenmotors wird lauter und zum anderen Kanal gezogen, hinter ihm und im Kopfhörer mittig ein Fleck vervielfachten Almgebimmels, der nicht von der Stelle kommt. Abgezogene Geräusche weder von Mensch noch von Tier, dennoch klar als Natur konnotiert, selbst das Insekt, das bei wiederholtem Hören in seinem bearbeiteten Oberton ausläuft. Erneute elektronische Klangfläche als klares Verhältnis, hinter dem jetzt alles andere verschwindet bis auf ein glöckernes Gehämmer, von dem nicht zu sagen wer oder was da auf was einschlägt…
Scheinbar Kontraste ineinander geschoben oder gegeneinander gestellt, den zwischen Natur und Stadt etwa oder den zwischen Mensch und Maschine – ein Weg im Titel nahe gelegt, der sie in seinem Nacheinander in Beziehung setzte: In innsbruck 6020 der weg von Sam Auinger und Hannes Strobl gibt es aber keinen Weg, und alle freilich konstatierbaren Antithesen zwischen Natur und Zivilisation überhörten in Gestalt Struktur und Konstruktion, von denen ihre Arbeit spricht, und die hierin auch ein stückweit Ideologiekritik darstellt. In präzisen Klang- und Geräuschbildern spricht die Radioarbeit von tamtam, wie sich Auinger und Strobl auch nennen, vom menschlichen Denken, vom menschlichen Wahrnehmen und von der Gefährdung im Bildlosen, für die es nichts anders gibt als das Gehörte: eine Art Positivismus, der allen Positivismus außer Kraft setzt. Denn wo alles anwesend und zugleich das meiste verschwunden, ist alles möglich und das Entkommen unterliegt einem Experiment bei lebendigem Leib…

Der Weg
„im sommer 2005 verbringen wir eine woche für aussenaufnahmen in innsbruck. unser anliegen ist mit und aus dem stadtklang eine komposition zu erstellen. die geographische situation der stadt naehrt die kompositorische idee…mitten im inntal gelegen, im norden begrenzt von der nordkette und im sueden vom mittelgebierge und dem patscherkofel.“ (Auinger/Strobl)

Wo seine Richtung entschieden, lässt das Ziel vom Weg ab. Sichtbar verschwindet der hinter seinem Bild und lässt nur ein Wort zurück, vielleicht auch zwei, zwischen denen er zugleich bezeichnet und gelöscht. Begangen in Geräuschen, die ihren eigenen Grund mitbringen, verwandelt er sich in lose Orte und sein Verlauf ist nichts als Erzählung. Alle seine Bewegung, und die durch ihn hindurch, erfüllt sich im Stand. Seine Linearität ist Konstruktion des Sichtbaren, und eigentlich noch nicht einmal darin möglich.
Vom ersten Moment an ein entferntes Geräuschband schattenhaft alles scheinbar Natürliche durchdringend… Tiefe schichtet sich im Akustischen in unterschiedlichen Intensitäten von Klang- und Geräuschfärbungen und Dynamik. Kontinuierliches Zu- bzw. Abnehmen solcher, lassen an Nähern und Entfernen denken, implizieren Ziel, Gerichtetheit und zurückgelegte Strecke, die rein optische Erscheinungen bleiben. Der Weg ist nur sichtbar. Zu hören ist er einzig, wenn er begangen, dann aber hat ihn der Schritt bereits in Räumlichkeit verwandelt, die in einer Unzahl von Orten und immer in anderer Gestalt ins Hörbare tritt. Linearität und Kontinuität in denen unsere Wahrnehmung erst gliederbar wird, werden vom Hör- und vom Tastsinn als konstruiert erfahren, obschon auch das Bild und die Bewegung im Sehen nur „künstliche Einheiten“, denen nichts von Natürlichkeit im herkömmlichen Sinne anhaftet.
innsbruck 6020 der weg bewegt sich entlang solcher Wahrnehmungserfahrung, lässt die Kontinuität eines Weges in eine Vielzahl von Orten zerfallen, die so lose voneinander, so unüberwindlich parallel, dass akustische Schwellen und Öffnungen eingebaut werden müssen, um sie miteinander in Beziehung zu bringen, zugleich sie aber auch bei sich zu verdichten. Das schattenhafte Band in der ersten Ortsatmosphäre – eine Art Horizont – zerfällt in der zweiten Sequenz, filmschnittartig herangerückt, in ein dichtes Nacheinander sich nähender und entfernender Motorengeräusche. Diese einfach als Autobahnlärm aus unterschiedlicher Entfernung zu bezeichnen, stellte die Bewegung erneut in das Außen einer zurückgelegten Stecke, die es in innsbruck 6020 der weg gerade nicht gibt. Bewegung ist in tamtams Arbeit immer die Beziehung von Bewegungen innerhalb eines festen Hörabschnittes, der seinen eigentlichen Kern, den Hörenden im Gehörten auf verschiedene Weise hervorruft. Eine akustische Metapher hierfür die zweite Sequenz: Schritte Geschrei junge Stimmen, die sich in einer Unterführung ihre Echos zurufen, dabei den Halt alles Gehörten hörbar machend. Erst Raum lässt akustische Wellen zu Hörbarkeit gerinnen.
Lassen die elektronischen Klangflächen die Klangorte, in denen Räume Gestalt zu werden vermögen, zueinander in Beziehung treten, stellen sie sie Schritt um Schritt in die Linearität eines Ablaufs, so tasten die Basstöne von Hannes Strobl, vorsichtig und vereinzelt eingetupft, die Klanggegend wie Neuland aus; erst unter Menschen in Tonfolgen, schüchtern und voller Neugier, verspielt bei sich Aufgenommenes wiederholend, es kommentierend… In eine innere Fläche zurückgezogen, in welcher der Außenraum aufgegriffen, verwundert ihn in Tönen beobachtend, an ihm sich haltend, ihm antwortend, immer aber ungehört eine unsichtbare und unerhörte Monade, wie auch der Blinde sich nicht selten unsichtbar wähnt, wo er sich nur beobachtet weiß, wenn er angesprochen… Gerade aber weil nichts auf die Basstöne antwortet, wird in den Klangräumen von tamtam das Ungehörte hörbar, das was weder zu sehen noch zu hören. Auinger und Strobl spielen hier ganz wörtlich mit der Blindenerfahrung, dass anwesend nur ist, was gehört, dem hörbar geantwortet und dass das Verborgene akustisch nicht fassbar, weshalb für den Blinden auch immer alles möglich. Diese Gefährdung wird hier zur Leichtigkeit und Offenheit eines Kindes gegenüber einer fremden aber spannenden Welt, zumindest bis zu dem Moment, als der Klangraum sich in einem Regenguss selbst zur Fläche transformiert, in die Dimension des Basses damit eingreifend, der nun diese Enge in einem ekstatischen Rhythmus abzuschütteln sucht.

Der Raum und sein Ort
Motorengeräusche in Distanz noch als Fluss, dazwischen ein Hund und entfernte Lautsprechermucke, die Szene hingeworfen wie eine akustische Leuchtreklame… Leises Geheul um das Bellen als hätten Ort und Zeit sich vertan, Geschichte für wahr genommen als Jetzt, das keine Wahrnehmung mehr überspringt und keiner mehr da, der sagt, es sei nur der Wind… Martinshorn und Glocke, Versicherungen und die eine fährt vorüber und die andere verklingt, allein der Fluss bleibt und stülpt sein Außen ins Innere einer Hallenstatik, dazu wechselt er bloß die Gestalt… Stimmen vorüber gezogen von wem auch immer, die Schritte jedenfalls hinterher und auf beide Kanäle spitz Schlüsselgeklimper gespritzt. Sätze beidseitig gebrochen oder wiederholt vielleicht, aber so identisch, dass das keiner nachgesprochen haben kann, was das auch immer bestätigte: das Gehörte, das Hören oder den Hörenden…
innsbruck 6020 der weg Bewegung im Stillstand eines Ausschnittes, in welchem Fluss alle Aggregatszustände durchläuft, in Geräuschen seiner Bewegungen dabei Orte ausweisend, die genauso doppeldeutig wie ihre Unterstellung, sofort wieder verschwinden, werden sie doch von ihrem Grund her nicht selten sogleich verrückt, und wenn nicht der eine dann ein zeitlich benachbarter, der den anderen im Nachhinein mit sich reißt. In Geräuschen etwa Richtungen konterkariert, indem jene zweikanalig wiederholt und die ganze Szene dabei von einem Gewebe feiner Haarrisse zersetzt. Klangräume übereinander geschichtet, rufen Gedächtnis in dessen Innschriften hervor und zwingen es in den Leerlauf, wo keine Erinnerung mehr all die hörbaren Räume in einen wirklichen taucht, und keine Aufmerksamkeit mehr die Dichte des Geräuschgewebes entflicht…
Geschirrgeklapper sinnlose Gesten akustisch und keine Handlung hält dran. Ausgewiesener Geschlechter Stimmen Wortbedarf hierfür, oder dafür, dass Einer einlädt, anderswo Eine etwas nicht mag, ein Dritter gehen will, das Wort Wein aber bei sich bleibt. Bloßes Aufeinander, bestenfalls denkbarer Bezug, vielleicht aber auch der schlimmste… Stimmen ohne Mitteilung einander zugeworfen, bevor Verkehrsfluss in sie gespült, ein Lautsprecher so als wäre nichts, Ansagen Durchsagen Aussagen Zusagen Versagen: beglaubigtes Außen an Sprechende oder über sie getroffen… Ein aufkommender Helikopter, dass also nur rundum Wand, von oben aber begräbt sein Motor jetzt alles. Zwischen Autos Dixielandgeblase in Blech, ironische Transformation der Rotorenwinde, Aggregatszustandswechsel bis in die Selbstironie von Kunst, oder dass vielleicht doch der Krieg der Vater aller Dinge: aber selbst das hier nur Fluss – das Fließen von Wasser, das Fließen des Verkehrs, das Fließen von Luft, Fluss im Festen, Fluss im Flüssigen und Fluss noch im Hauch, den das Mikrophon ganz nahe ganz schnell zum Geheul macht… Irgendwo Geschepper und danach Geschirr so als wolle es betonen, nichts damit zu tun zu haben. Verselbstständigung der Gegenstände in handlungslose Hörbarkeit, wiederholt elektronische Verschichtungen als trachteten sie dem Nachdenken die Gestalt zu entziehen, es von Spuren der Gewalttätigkeit zu reinigen, denn was wurde da zerschlagen, wen oder was überwachte der Helikopter, wen verfolgte er, oder wer sollte da woraus gerettet werden…
Leises Quietschen eines Autos, kommt zum Stehen, fährt die Geschwindigkeit der ganzen Szene herunter, einen Sog von Stille öffnend, der die Glocken einer ganzen Stadt bei sich zusammenzieht, die fernsten zuerst und immer näher und am Schluss alle Glocken in ihren Obertönen und Tönen wie eine einzige, die sich an Mauern bricht, ihre Schläge an ihnen doppelt, der Architektur Halt und diese Halt ihr selbst. Aber weder Andacht noch Beschaulichkeit liegen in dieser Szenerie. In ihrer Reproduktion scheint die Suggestivkraft vom Klang gelöst, so dass er selbst sich und dem Hörenden zum Rausch wird, zu einer Ekstase rhythmischer Bewegung, ganz fleischlich dicht.

Der Ort und sein Raum
Ein gesehener Ort ist Ausschluss. An einem nicht gesehenen Ort zu stehen, heißt alles einschließen, was irgend möglich. In Parametern stabilisiert ist der gesehene Ort bestimmt. Der ungesehene Ort hat in einem jeden Moment überprüft zu werden und erfährt in einer jeden Überprüfung Veränderung. Unwiederholbar ist er und instabil, nie mehr als provisorisch. Im Bild erweckt der Raum die Illusion in der Summe seiner Orte erfüllbar zu sein. Bildlos hingegen und darin bei sich, ist Raum ein nie zu erreichendes Außen, dessen Bild ihn zu Äußerlichkeit schrumpft, um mit ihm rechnen zu können. Das Bild des Blinden ist das, was sein Körper hörbar hervorruft. Geprägt von spezifischer Räumlichkeit brechen seine Bewegungen sich darin zu Geräusch, rufen sich etwas hervor, das durchgehbar, als durchschreite der Schritt nur den eigenen Raum, den er sich aufgestoßen. Diese blinde Dialektik ohne Synthese, Gleichzeitigkeit von Ein- und Ausschluss, von ungehaltener Selbstreflexion und nicht erfassbarem Raum scheinen auch in Sam Auingers Arbeiten immer wieder auf, etwa in der in New York realisierten Installation blue moon, die auf den physikalischen Eigenschaften von Röhren, in ihrem Inneren bestimmte Wellenschwingungen zu verstärken und andere zum Verschwinden zu bringen, beruht. Röhren verschiedener Länge werden in ihrem Inneren mit Mikrophonen versehen, die die darin spezifisch gefilterten Außengeräusche aufnehmen und auf den Platz in Echtzeit verstärkt rückübertragen. Ein öffentlicher Klangraum mit der Rezeption seiner Geräusche aus ihm selbst heraus konfrontiert, die ihn zugleich verändern und er darin wohl auch die Rezeption der Geräusche im Inneren der Röhren… Eine Parabel menschlicher Wahrnehmung, die niemals objektiv ein Außen aufnimmt, solch Außen vielmehr immer in der eigenen Körperlichkeit verschränkt, bricht und reflektiert, wie auch der Blinde eben keinen Raum außen hört, sondern nur die Reflexion des eigenen Körpers mit sich selbst.
Während in blue moon ein öffentlicher Klangraum sich in den Bewegungen all derer, die ihn hören vervielfacht, ist diese Veränderung in gewisser Weise auch sichtbar, markiert sich in Bewegungen optisch als Ort jeweiliger Klangereignisse. Demgegenüber entzieht innsbruck 6020 der weg, wie alle Radioarbeit, das Bild und damit auch alle Vorstellung über die Produktion des Gehörten. Stationär vor einer Maschine (oder unter Kopfhörer genauer in ihr) wird – in vermeintlich Alltäglichem – Klanggeschehen erzählt, in dessen Rhythmus und Ablauf der Hörer gespannt. Während bei der Installation der Rezipient selbst Subjekt des „Geschehens“, womöglich zum Klang selbst beitragend, scheint der Hörende des Radiowerks nur Konsument: denn wo läge, so der augen-scheinliche Schluss, seine Eingriffsmöglichkeit. Auinger und Strobl stellen in innsbruck 6020 der weg all diese Standpunkte auf den Kopf oder vielleicht eher auf die Füße. Indem ihr Weg in Orte zerfällt, die in keiner natürlichen Bewegung vermittelt, wird der Stand der Aufnahme und Wiedergabe zum unerreichbaren Stand der Dinge selbst, aus dem zugleich kein Entkommen, wenn Bewegungen in ihn stürzen und manchmal so intensiv, dass er schier birst. Ein PKW-Motor sich nähernd, sein an einer Wand gebrochenes Echo kommt ihm zuvor und der Hörende, zerrissen zwischen zwei Richtungen, verliert den Stand. Nur ein solcher wüsste ihm zu sagen, wohin was sich bewegt… Das gerade aber ist nicht möglich.
Anders als in tamtams kapitel 3 aus dem stadtmusikzyklus von 2005, wo um eine tickende Blindenampel herum sich akustische Alltagsräume ineinaderschieben, Nicht-Sehen also die Gleichzeitigkeit in sich taumelnder Gedächtnisbilder, die nicht mehr von einander scheiden zu können sich der Blinde gewiss, gerät in innsbruck 6020 der weg diese Gewissheit selbst ins Taumeln. Kleine Verschiebungen sind es nur, Wiederholung von Gesprochenem, Geräusche die sich doppeln, die Richtungsfunktion der Lautsprecher aufhebend, die das akustische dieser Klangräume nicht mehr ruhig ins Bild kommen lassen. Wie ein Hologramm scheinen sie sich zu verwackeln, wie eine Überblende, die eigentlich gar nicht Statt fand.
Erdend das Bassspiel als Haltefläche hineingeschoben gibt es den Szenen etwas Leichtes zurück, oder hegt sie schirmend ein, wie das fast schon melancholische Kinderspiel in einem Hof, das Bass und Elektronik beschützen, in das sie sich einmischen, mitspielen, auch da wo den Kindern, die sich gerne Witze erzählen würden, keine Witze mehr einfallen. Nur noch der Ball auf den einer tritt, irgendwann wirklich nur einer der auf einen Ball tritt, in dessen Spiel wie ein drohender Schatten ein Klangstreifen sich langsam herabsenkt, so langsam, dass fälschlich geglaubt werden kann, das was da so klingt sei weit weit weg…

Die Zärtlichkeit der Maschine
Ein seichtes Jazzklavier aus Lautsprechern und weit genug weg um geräuschlos von einem PKW-Motor überrollt werden zu können… Verkehrsfluss in Gewässer verdoppelt, über dessen Eigennamen jetzt herangeführt an seinen Zerfall. Den ungebrochenen Horizontstreifen heruntergebremst zu Einzelfahrzeugen in denen er trotzdem kein Ende findet… Fluss in allen Elementen durchdekliniert von offener Gewalt der Maschinen bis zu ihrer Latenz, denn was da vorübergeht oder fährt, hört nicht auf. Fast verstohlen dagegen die Töne des Basses, unhörbares Anderes, das allein um Stille weiß, dabei aber keinen Innenraum beanspruchend, auch nicht wenn es etwas von Außen aufgreift und ihm nachspielt. Als Fläche in einen Raum geschoben, wo es sich genügt, ohne bei sich bleiben zu könne…
Ein langsam abfallender Klangstreifen an sich entfernende Motoren erinnernd… Allein dass seine Bewegung ohne Richtung und ihre Langsamkeit eine Ferne vorgibt, der die Lautstärke widerspricht. Etwas fährt da vorüber ohne wegzukommen, schickt seiner Bewegung deren Klangbogen voraus, als ob Hören erinnerte, was erst noch kommen wird… Hören für sich existiert nicht. Immer wird etwas gehört. In solch gegenständliches Hören aber ist Körper immer so eingemischt, dass vom Gegenstand des Gehörten als etwas Authentischem nicht zu sprechen. Was aber bliebe so für John Cages Happy New Ears und ihrer Schärfung des Hörens hin zum Gehörten, wenn nicht ein bloßes sich Öffnen zum Anderen; darf Wahrnehmung doch niemals mit für-wahr-nehmen verwechselt werden. Zum Hörenden wird der Hörende erst indem von Gehörtem etwas geschieden, das sich in ihm reflektiert, das dennoch nichts anderes denn in ihm oder er selbst, ohne solches freilich fassen zu können. In innsbruck 6020 der weg beobachtet der Hörende hilflos wie das Gehörte ihn auf verschiedene Hörschichten verteilt, aus denen keine Assoziationen mehr heraushelfen. Gegenständliches Hören versagt und da helfen auch keine geschärften Ohren. So löst Hören sich vom Gehörten, wird zu etwas Infinitem, das Hören wörtlich immer schon war. Kein „ich höre“ setzt sich gegen solch Nicht-Enden-Können mehr durch. Der Hörende aber beobachtet sein Scheitern. Wo präzise nichts mehr erkannt werden kann, zerfällt das Subjekt vermeintlicher Wahrnehmung, wird zur Erfahrung ihrer Verselbstständigung. Den Hörenden auf verschiedene Materialebenen verteilt, nutzt Hören ihn jetzt um sich selbst zusammenzuhalten.
Wie in der Installation farben in der Ruine des Franziskanerklosters (sonambiente Berlin 2006) erarbeiteten tamtam alles Klangmaterial, an dem sich Verkehr und Maschinen brechen, aus Tönen des Basses. Während dort die akustische Wirklichkeit der Stadtlandschaft sich in den Ruinen gespiegelt verliert, öffnet die Parallelführung der sich immer wieder herabsenkenden Klangströme zu Motoren und Verkehr ein unbehausbares Dazwischen, als hätte Gedächtnis sich des Erinnerten entledigt, um alle Zeit von Vergangenem bis zu dem was noch kommt gegenwärtig zu halten. Ein Horizont von Materialität, die nur noch die Geste ihrer Bewegung, Maschinenkörper davor, ein Fließband abfahrend, das so mörderisch klingt wie diese Motoren einst produziert… Materialien in unterschiedlicher Dichte in Arbeit an sich selbst, sich verdoppelnd, sich zergliedernd, sich segmentierend und erneut elektronische Klangflächen um das, was da zerfällt zusammenzuhalten: etwa über Kopf berstende Motoren, denen scheinbar Splitter von Schreien und Flüssigkeitsstürzen bei lebendigem Leib ausplatzen, blakendes Gestöhn dabei zwischen Gezisch zurücklassend… Maschinen, die etwas bändigen was sie zugleich auch freisetzen. In Eingriffen ausgefilterter Klänge werden aber auch Assoziationen dieser Art blockiert, wie andererseits auch kein Gegenstand mehr einen Begriff feststellt an dem er sich hielte: sprengt er ihn doch in Szenerien vervielfachter Eigenschaften auf, so dass die eigentliche Vermittlung des Hörraums der Brachialität der Maschine überlassen…
Eine tiefe Glocke gespenstisch wie zum letzten Weg… Später in Fläche zersprengtes Gezirpe hinter sich lassend das Spiel, tatsächlich hinter allem und zum ersten Mal kein Horizont mehr. Selbst die elektronischen Klangflächen des Anfangs müssen nichts mehr eröffnen.
Im Gegensatz zu Sehen vermag Hören sich seinem Horizont zu nähern, stürzt ihn dabei aber zugleich in seinen Zerfall. Wie alle wirkliche Grenze sich auflöst, so sie betreten, zieht der Fluss als nicht-fassbare Präsenz sich in alles Erscheinende zurück. Einziger Halt noch eine Karte und der Blick drauf: Stadt und Weg und Namen auf einmal, so dass Bild hier bildlosem Hören ganz nahe, wo Schritt um Schritt alles einstürzt und ohne einen Rest.

http://www.netzradio.de/tamtam/info/ibk6020derweg.html